Editorial
Die aktuelle Ausgabe des Global Player steht im Zeichen von Jubiläen, Journalismus und Frauen!
Ende April durften wir den 100. Geburtstag des österreichischen Psychiaters, Neurologen und Suizidforschers Erwin Ringel feiern. Ungefähr zur selben Zeit fand die Gewalt gegen Frauen in Österreich im elften Mord seit Jahresbeginn einen neuen Höhepunkt. Es folgte ein Maßnahmenpaket, in dessen Zentrum Schutzeinrichtungen und Beratungsstellen stehen. Frauenmnisterin Susanne Raab rückte die „kulturell bedingte“ Gewalt in den Fokus, womit sie Gewalt in muslimisch geprägten, patriarachlen Gesellschaftsstrukturen meint, und nicht die narzistisch patriarchalen Gewalt- und Ausbeutungsschemata von österreichischen Männern gegenüber migrantischen Frauen. Explizit rief schließlich Innenminister Nehammer von Gewalt betroffene Frauen dazu auf, sich an die Polizei zu wenden. „Die Morde an Frauen in diesem Jahr zeigen vor allem eines auf: Nur in einem von insgesamt neun Fällen wurde die Polizei verständigt“, so Nehammer.
Da erinnerte ich mich an einen Fall im Verein Die Bunten, der in der Praxis alles erfüllte, was ich in meinem bisherigen Frauendasein an Ungleichheit, Ungerechtigkeit und insitutionellem Rassismus gegen Frauen kennengelernt hatte. Das Schulbeispiel ging so: Sie kam aus Rumänien nach Österreich und heiratete einen österreichischen Mann. Er trank regelmäßig viel Alkohol und war dann sehr gewalttätig. Als er eines Tages mit einer anderen Frau aus Osteuropa nach Hause kam und seiner Ehefrau verkündete, er wolle ab nun zu dritt mit der neuen Frau im gemeinsamen Haus leben, ließ sich meine rumänische Freundin von ihrem Mann scheiden. Weil er einst Lehrer gewesen war und außerdem ein kleines Vermögen von der Mutter vererbt bekommen hatte, war er nicht nur gesellschaftlich angesehen im Dorf, sondern auch einigermaßen wohlhabend, zumindest war er bis zum Rest seines Lebens finanziell versorgt. Nach der Scheidung zog die rumänische Frau nach Wien, sie putzte und sorgte sich aber weiterhin um ihren Ex-Mann, wenn der sich wegen seiner Trinkerei wieder in Schwierigkeiten gebracht hatte. Als Verkäuferin in der Nordsee war es ihr möglich, in Wien ein bescheidenes Leben aufzubauen. Sie lernte einen serbischen Mann kennen, dem sie ohne eine Heirat ein Kind gebar. An einem Wochenende, als sie mit ihrem Sohn wieder „hinaus fuhr“, um für ihren Ex-Mann zu kochen und zu putzen, wurde er wegen seiner Trinkerei wieder gewalttätig. Schließlich entschloss sie sich, die Polizei zu rufen! Diese „Amtshandlung“ führte dazu, dass der rumänischen Frau ihr Kind weggenommen wurde. Der Junge landete im Kinderheim. Die Lügen des Mannes und seine Stellung überwogen alle Fakten, die die rumänische Frau vorzuweisen hatte. Sie organisierte Demonstrationen, ging ins Radio und versuchte auf die Missstände im Jugendheim aufmerksam zu machen. Nach einiger Zeit erdachte sie den Plan, einen „neuen Mann“ zu finden, mit ihm ein Kind zu zeugen, um als „Familie“, den Sohn endlich wieder nach Hause holen zu können. Mit dem Ergebnis, dass man ihr wenige Stunden nach der Entbindung im Krankenhaus das zweite Kind, wieder ein Sohn, abnahm. Die Begründung lautete, da sie bereits nicht in der Lage war, für das erste Kind zu sorgen, werde das zweite Kind unmittelbar zu einer Pflegefamilie kommen.
Ich sah meine Freundin dann nur noch wenige Male. Sie hatte mit Fotomaterial, das Putzfrauen im Jugendheim angefertigt hatten, belegen können, dass ihr erster Sohn von einem Heimlehrer misshandelt worden war. Sie sprach davon, dass die Jugendheime ein „Ghetto“ für migrantische Kinder waren und es eine „Industrie“ gebe, weil die Pflegefamilien monatlich viel Geld bekämen.
Das andere Jubiläum bezieht sich auf den bisher historisch bedeutendsten Leak, den es weltweit je gab, die „Panama Papers“. Am 3. April 2016 veröffentlichte ein internationales Journalisten-Team von 400 Beteiligten die vertraulichen Unterlagen des panamaischen Offshore-Dienstleisters Mossack Fonseca. Der Leak offenbarte ein Netzwerk von Korruption, Geldwäsche, Steuerhinterziehung, das sich über die ganze Welt erstreckt. Der großen Resonanz auf den Leak folgten zunächst nur große Worte. Nun kann sich auch das Ergebnis sehen lassen: Neben zahlreichen Verhaftungen brachten die Panama-Papers den Behörden weltweit 1,2 Milliarden Euro Einnahmen durch Strafgelder und Steuernachforderungen.
Das letzte Jubiläum bezieht sich auf den Todestag von George Floyd, der sich Ende Mai zum ersten Mal jährte.
Ich wünsche eine angenehme Lektüre!
Dge
Pour que le monde avance!