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„Afropean“ bekommt Buchpreis: Wie steht es um Gleichberechtigung in Österreich?

Afropean

Auf der Suche nach einer schwarzen Identität reiste Johny Pitts quer durch Europa. Und vergaß dabei Österreich. Währenddessen geht das Black-Voices Volksbegehren hier in die Bezirksämter.

Was bedeutet Schwarzsein in Europa? Wo liegen die Vernetzungen der afrikanischen Diaspora, wie leben die Communities über den Kontinent verteilt, wo werden sie sichtbar? Der 34-jährige Afroeuropäer Johny Pitts aus England ging diesen Fragen in einer Reise durch unter anderem Russland, Deutschland und Frankreich auf den Grund. Er fotografierte, sprach mit schwarzen Menschen, in Cafés, U-Bahnen und öffentlichen Plätzen und suchte nach einer „gemeinsamen Identität“. Für sein daraus entstandenes Buch „Afropean“ hat der Sohn eines Soul-Musikers und einer Stahlarbeitertochter aus dem Arbeiterviertel Sheffield nun den Leipziger Buchpreis für europäische Verständigung überreicht bekommen, der mit 20.000 Euro dotiert ist. Er zeige eine „harte Realität“, die oft unbemerkt bleibe, begründet die Jury ihre Entscheidung.

Die Reise Pitts zeigt aber nicht nur den stillen Kampf einer international systematisch unterdrückten Minderheit auf. Das Buch weist auch auf einen fundamentalen Unterschied zwischen der schwarzen Identität in Europa zu etwa den USA hin. Denn während der rassistische Mord an George Floyd, der sich diese Woche gejährt hat, einen kollektiven Aufschrei zufolge hatte, die „Black-Lives-Matter“-Bewegung von New-York bis nach Chicago gemeinsam agiert und auch die Bürgerrechtsbewegung mit Martin Luther King und Malcolm X eine nationalgeschichtliche Initiative in den USA darstellte, kämpfen Schwarze in Europa meist in ihrer eigenen Community und Nation für sich selbst. Durch seine Reportage gibt Pitts die Chance für ein Umdenken.

 

Black-Voices Volksbegehren: Schwarze Menschen in Österreich

Ob und wie schwarze Communities sich europaweit verbinden könnten ist ungewiss. In „Afropean“ jedenfalls ging Pitts nur auf einige Länder und Städte ein, Wien widmete er kein Kapitel. Wobei sich gerade einiges tut. „Black Voices“, ein antirassistisches Volksbegehren, das einen nationalen Aktionsplan in Österreich gegen Rassismus fordert, wurde offiziell eingereicht und steht momentan bei 17.000 Unterschriften. Bis nächstes Jahr hofft das Team, um Sprecherin Noomi Anyanwu herum, die Hunderttausender-Marke zu knacken, um den Weg in den Nationalrat zu ebnen. Unter anderem wird mehr Diversität in der Forschung, eine Änderung des Wahlrechts gebunden an einen fünfjährigen Wohnsitz, breite Antirassismus-Workshops und Bildung und ein Einsatz der österreichischen Regierung für die Erneuerung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems gefordert. „Ich kenne viele Leute, auch in meinem persönlichen Umfeld, die bei einer eigentlich einfach zu behandelnden Hautkrankheit einfach keine richtige Diagnose gekriegt haben, weil Mediziner nicht lernen, wie sich Krankheiten auf Dunkelhäutige auswirken.“, meint Anyanwu zum Punkt Forschung: „Und beim Thema Wahlrecht ist es unserer Meinung nach absurd, dass das unbedingt an die Staatsbürgerschaft gebunden ist. Man könnte diskutieren statt fünf Jahren, sieben Jahre Hauptwohnsitz Österreich Voraussetzung zu machen, aber mehr Kompromisse können wir da nicht eingehen.“ In Schulen soll das Unterrichtsprinzip „Post-Kolonialismus“ angewendet werden, Black-Voices stellt auf ihrer Website auch einen Bildungsflyer mit Material zu Österreichs kolonialer Vergangenheit gratis zur Verfügung.

„Es kann natürlich sein, dass der Nationalrat nur einen Teil der Forderungen umsetzt, oder sich den Forderungen ganz verweigert. Das Frauenvolksbegehren wurde auch mit einer halben Million Unterschriften abgelehnt.“, sagt Noomi Anyanwu: „Aber wir finden, dass das was wir fordern, das Mindeste ist, was 2021 in Österreich zu Antirassismus getan werden kann.“ Hierzulande hinkt man da politisch noch arg hinterher. Wer eine Staatsbürgerschaft hat, kann das Volksbegehren jetzt mit Handysignatur oder im nächsten Bezirksamt unterschreiben. Und vielleicht kommt Johny Pitts dann doch auch mal nach Wien.

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