Skip to main content

Nur mehr Schatten seiner selbst?

Vor wenigen Jahren galt er noch als Superstar der ÖVP, von der New York Times als „Wunderknabe“ tituliert, von deutschen Politikern wie Jens Spahn, Friedrich Merz oder Markus Söder sowie von Medien bestaunt und hofiert. Das hat sich jetzt bei Sebastian Kurz sehr schnell geändert. Sein einst so glänzender Lack blättert sichtbar ab, und es ist kein Ende des Abblätterns absehbar. Ob Kurz jetzt zunehmend ein Schatten seiner selbst wird oder den Schattenkanzler zu geben versucht, das werden die kommenden Monate zeigen.
Einiges spricht für ersteres, denn die ÖVP-Granden sind wegen der in den berüchtigten Chats getätigten Äußerungen sauer. Mit Sprüchen von „alten Deppen“ und mit dem generell abschätzigen und respektlosen Ton von Kurz bzw. aus seinem Umfeld macht man sich klarerweise keine Freunde. Und einiges wird noch auftauchen. Die „türkise Boygroup“ hat von den „alten, schwarzen Recken“ keine ungeteilte Zustimmung mehr, soviel steht fest. Es ist „eine Grenze überschritten“ sagte LH Hermann Schützenhöfer, er und andere Landeshauptleute der ÖVP können sich eine baldige Rückkehr von Kurz als Kanzler nicht vorstellen. Für Tirols LH Günther Platter sind die „Vorwürfe (gegen Kurz, Anm.) nicht wegzuwischen“, er erwartet von Neo-Kanzler Alexander Schallenberg „Eigenständigkeit der Politik und seiner Regierung“.
Was ebenfalls gegen Kurz spricht: Er ist kein Parlamentarier, der er in seiner neuen Rolle als Abgeordneter aber sein müsste. Er ist „Schönwetterpolitiker“, das tägliche Ringen um Entscheidungen liegt ihm nicht, er hat das Parlament immer mit Distanz und Herablassung behandelt. Je länger er diese Rolle innehat (und es wird mindestens ein Jahr dauern, bis die WKStA zu einer Entscheidung kommt) umso schlechter werden seine Karten. Sollte es zu einer Anklage kommen, ist er ohnedies untragbar.
Eine Chance gibt es, wenn er es schafft, dass 2022 Wahlen stattfinden, denn in der Bevölkerung hat er immer noch Rückhalt. Aber dafür muss er seine Leute überreden, die immer weniger auf ihn hören. Die laufenden Ermittlungen gegen ihn sind auch nicht gerade hilfreich. Aber in der Politik ist alles möglich, Meinungen und Standpunkte ändern sich wie das Wetter, und Prognosen sind wackelig. "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, nichts hindert mich, weiser zu werden" hat Konrad Adenauer einmal gesagt. Bleibt zu hoffen, dass die altgedienten ÖVP-Politiker in Bezug auf den Ex-Kanzler weiser geworden sind. n

Werde Mitglied

Back to top