Literatur
Encounter mit einem Zollbeamten in Spielfeld, unterwegs zu einer Theater-Premiere in Graz.
Dass schweres Gepäck das Leben leichter machen kann als das Leben ohne ein überflüssiges Kilo, wurde mir an der Grenze zwischen Slowenien und Österreich klar gemacht. Nur eine Zahnbürste hatte ich mit, in der Tasche eines aufgerollten Wintermantels im Gepäcknetz gegenüber, allein in dem Zugabteil sitzend…
Eine befreundete Regisseurin in Ptuj hatte mich eingeladen, zu einer Premiere in dem kleinen idyllischen Theater. Zurück nach Graz wollte ich dann zu Fuß gehen, möglicherweise unterbrochen von kurzen Strecken mit Bus oder Zug. Der Zollbeamte kam in den Wagon und ich überreichte ihm meinen Pass. Er war sichtlich unzufrieden mit meiner legalen Lage. Er schaute spionierend umher, in der Hoffnung, doch noch etwas Strafbares zu finden. Draußen pfiffen Vögel, Wälder warteten einladend und irgendwo war ein fließender Bach bestimmt bereit, zwischen Himmel und Erde, meine Hände in Unschuld zu waschen.
„Wo ist Ihr Gepäck?“ fragte der Zollbeamte, an dessen Gesicht ich mich nicht mehr erinnern kann, wenn ich es beschreiben muss, aber dafür umso deutlicher an sein irritierendes Verhalten mir gegenüber.
Stolz zeigte ich auf den aufgerollten Mantel über uns. „Das ist kein Gepäck!“, klang es zufrieden. Perplex war ich, weil es für das englische Wort keine adäquate deutsche Entsprechung gibt.
„Wenn Sie kein Gepäck haben, dann sind Sie kein Tourist…“
„…Es war nie meine Ambition, ein Tourist zu sein.“
Der Mann verschwand mit meinem Pass in dem Zug, schweigend, und ich folgte ihm wie sein Schatten.
In dem kleinen Gebäude auf der österreichischen Seite, in Spielfeld, sollte ich mich hinsetzen, während der Zollbeamte begeistert meinen Familiennamen in den damals noch ziemlich amateurhaften Computer eintippte. Ich sah, wie mein Name alarmierend aufleuchtete, wegen eines Delikts in Bremen.
„In Bremen bin ich noch nie gewesen“, sagte ich zu dem Rücken des Mannes.
Er war sichtbar euphorisch mit seiner Beute, doch es ist alles noch gut ausgegangen, im Endeffekt, nach vielem Hin und Her und der Telefoniererei mit Universitätsprofessoren und ORF-Intendanten in Graz. Aber würdest du in meinem Fall ein Afrikaner sein, mit einem unaussprechlichen Namen, dann wäre es mit der Unschuldsvermutung nicht so einfach.
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